OVG Niedersachsen zur Kennzeichnung eines flüssig gewürzten Schnitzels
Am 12.12.2018 hat das Oberverwaltungsgericht für das Land Niedersachsen mit Sitz in Lüneburg einen Beschluss zur Kennzeichnung von flüssig gewürzten Schnitzeln erlassen. Die Entscheidung ist hier abrufbar.
Inhaltlich ging es um industriell hergestellte Schnitzel verschiedener Tierarten, denen im Rahmen der Herstellung eine Flüssigwürzung injiziert wurde. Die Flüssigwürzung, die zum weitaus überwiegenden Teil aus Trinkwasser bestand, wurde vor dem Erhitzen der Schnitzel in das Fleisch injiziert. Infolge des Bratvorgangs wurde ein erheblicher Teil der Flüssigwürzung und des damit eingebrachten Wassers aus den Fleischerzeugnissen wieder entfernt. Im Enderzeugnis waren deshalb weniger als 5 % Trinkwasser enthalten.
Die zuständige Überwachungsbehörde war gestützt auf einen ALTS-Beschluss der Auffassung, dass auch bei einem Wasserzusatz von weniger als 5 % im Enderzeugnis eine Kennzeichnung in der Bezeichnung der Produkte erfolgen müsse. Hiergegen hat sich die Klägerin zur Wehr gesetzt. Die Klage wurde vom Verwaltungs-gericht Oldenburg mit Urteil vom 5. Dezember 2017 unter dem Aktenzeichen 7 A 4064/16 abgewiesen. Das erstinstanzliche Urteil kann hier abgerufen werden.
Gegen diese Entscheidung hat die Klägerin einen Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt, den das Oberverwaltungsgericht nunmehr ebenfalls abgelehnt hat. Das Oberverwaltungsgericht begründet seine Auffassung im Wesentlichen damit, dass die Regelungen zur Kennzeichnung von Trinkwasser nach Anhang VI Teil A Nr. 6 Satz 1 LMIV und zur Angabe eines besonderen Behandlungsverfahrens nach Anhang VI Teil A Nr. 1 LMIV nebeneinander anwendbar sein sollen. Nach Auffassung des Gerichts ergibt sich dies aus dem Wortlaut der Vorschriften, dem Gesetzeszweck und der Systematik der Bestimmungen im Anhang VI Teil A der LMIV.
Die Entscheidung ist rechtskräftig, was bedeutet, dass jedenfalls in dem entschiedenen Fall der Klägerin kein Rechtsbehelf mehr zur Verfügung steht. Dennoch begegnet die Entscheidung grundsätzlichen Bedenken. Insbesondere die Behauptung des Gerichts, Wortlaut , Zweck und Systematik des Anhanges VI Teil A LMIV machten diese Auslegung erforderlich, überzeugt nicht.
Dem ist entgegenzuhalten, dass die LMIV ein sehr differenziertes Wertungssystem enthält, was die Angabe von Trinkwasser bei Fleischzubereitungen einerseits und bei Fleischerzeugnissen andererseits in der Bezeichnung und im Zutatenverzeichnis angeht. Bei einer Fleischzubereitung mit mehr als 5 % Trinkwasser muss eine Angabe in der Bezeichnung und im Zutatenverzeichnis erfolgen. Bei einer Fleischzubereitung mit weniger als 5 % Trinkwasser muss zwar keine Angabe in der Bezeichnung, aber immerhin noch eine Angabe im Zutatenverzeichnis vorgenommen werden. Bei Fleischerzeugnissen muss bei einem Trinkwasserzusatz von mehr als 5 % eine Angabe in der Bezeichnung und im Zutatenverzeichnis erfolgen, bei einem Trinkwasseranteil von weniger als 5 % im Enderzeugnis weder eine Angabe in der Bezeichnung noch im Zutatenverzeichnis.
Dieses ausdifferenzierte Wertungssystem wird nunmehr von der Entscheidung des OVG Lüneburg auf den Kopf gestellt, wenn jetzt unter Rückgriff auf die Regelung zum besonderen Behandlungsverfahren nach Anhang VI Teil A Nr. 1 LMIV auch ein Trinkwasserzusatz von weniger als 5 % in der Bezeichnung eines Lebensmittels als besonderes Behandlungsverfahren angegeben werden soll.
Erforderlich wäre also danach die Angabe der Flüssigwürzung in der Bezeichnung, was darüber hinaus auch eine Mengenkennzeichnung nach Art. 22 LMIV auslösen würde. Erforderlich wäre also die sog. QUID-Angabe für die Flüssigwürzung, deren Hauptzutat Trinkwasser im Zutatenverzeichnis überhaupt nicht angegeben werden muss. Hierin liegt ein Wertungswiderspruch, auf den das Gericht in seiner Entscheidung leider nicht eingeht.
Abzuwarten bleibt, ob die Überwachungsbehörden in Deutschland die gerichtliche Entscheidung einheitlich vollziehen werden.
Redaktion: Sascha Schigulski