EuGH-Entscheidung zur Einstufung eines Tabak-Erzeugnisses als Kautabak
Mit Datum vom 17.12.2018 wurde im Amtsblatt der Europäischen Union (ABl. EU, C 455, S. 14 ff.) eine Entscheidung des EuGH zu Begriffsbestimmungen der Tabakrichtlinie 2014/40/EU veröffentlicht (EuGH, Urt. v. 17.10.2018, Rs.: C-425/17), in der sich der EuGH mit der Auslegung der Begriffe „Kautabak“ und „Tabak zum oralen Gebrauch“ auseinandersetzt.
Sachverhalt und wesentliche Regelungen
Seinen Ursprung fand das Verfahren bei einer Tabakvertriebsgesellschaft, die verschiedenste Tabakerzeugnisse nach Deutschland einführte und auf dem deutschen Markt vertrieb. Hierzu gehörten unter anderem Erzeugnisse, die ausschließlich gekaut wurden sowie auch solche, die nicht nur zum Kauen, sondern auch auf andere Weise, bspw. zum Lutschen verwendet werden konnten.
Die Produkte wurden vom Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) untersucht und aufgrund ihrer Struktur und Konsistenz sowie der Art ihrer Verwendung als verbotene „Tabakerzeugnisse zum oralen Gebrauch“ eingestuft. Bei den Tabakerzeugnissen handelte es sich um in Zellulosebeutel verpackten, sehr fein geschnittenen Tabak eher körniger Struktur, der keiner mechanischen Einwirkung durch die Zähne standhielt und keiner solchen bedurfte, um seine Inhaltsstoffe zu lösen.
In diesem Zusammenhang ist es wichtig zu wissen, dass die Regelungen für Tabakerzeugnisse durch die Tabakrichtlinie 2014/40/EU erst vor kurzem wesentlich überarbeitet wurden. Art. 17 der Richtlinie 2014/40/EU sieht vor, dass die Mitgliedsstaaten das Inverkehrbringen von Tabak zum oralen Gebrauch unbeschadet des Art. 151 der Akte über den Beitritt Österreichs, Finnlands und Schwedens zu verbieten haben.
Die Richtlinie enthält auch verschiedene Begriffsbestimmungen. Art. 2 Nr. 8 der Richtlinie definiert „Tabak zum oralen Gebrauch“ als alle Tabakerzeugnisse zum oralen Gebrauch – mit Ausnahme von Erzeugnissen, die zum Inhalieren oder Kauen bestimmt sind –, die ganz oder teilweise aus Tabak bestehen und die in Pulver- oder Granulatform oder in einer Kombination aus beiden Formen, insbesondere in Portionsbeuteln oder porösen Beuteln, angeboten werden.
„Kautabak“ wird hingegen als ein rauchloses Tabakerzeugnis definiert, das ausschließlich zum Kauen bestimmt ist (Art. 2 Nr. 6 Richtlinie 2014/40/EU).
Aufgrund der gutachterlichen Bewertung des LGL untersagte die Stadt Kempten das Inverkehrbringen der Erzeugnisse. Hiergegen wehrte sich die deutsche Tabakvertriebsgesellschaft gerichtlich. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof setzte das Verfahren schließlich in zweiter Instanz aus und legte dem EuGH die Frage vor, wie zwischen zulässigem Kautabak und unzulässigem Tabak zum oralen Gebrauch zu differenzieren sei. Insbesondere wollte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof wissen, wann ein Tabakerzeugnis „zum Kauen bestimmt“ ist.
Die Entscheidung des EuGH
Der EuGH entschied, dass Kautabak nur dann vorliege, wenn das Tabakerzeugnis ausschließlich zum Kauen bestimmt sei. Entsprechend eng sei auch die Ausnahme in der Definition „Tabak zum oralen Gebrauch“ auszulegen, weshalb bspw. Lutschtabak wie solcher des Typs „Snus“ nicht als Kautabak anzusehen sei (Anmerkung: „Snus“ kann als feingemahlenes oder geschnittenes Tabakerzeugnis, das lose in kleinen Portionsbeuteln verkauft und zum Konsum zwischen Zahnfleisch und Lippe geschoben wird, beschrieben werden).
Zur Begründung verwies der EuGH unter anderem auf die Gesetzgebungsmaterialien zu der Richtlinie 2014/40/EU, denen zu entnehmen sei, dass die Hinzufügung des Adverbs „ausschließlich“ zur Definition des Begriffs „Kautabak“ eine Klarstellung des Begriffes bewirken sollte, die die Möglichkeiten der Umgehung des Inverkehrbringungsverbotes von Tabak zum oralen Gebrauch angesichts wiederholter Versuche einer Vermarktung von „Snus“ als Kautabak einschränken sollte. Auch stehe fest, dass das Verbot des Art. 17 der Richtlinie insbesondere dazu diene, Lutschtabak des Typs „Snus“ und ähnliche Produkte zu verbieten.
Eine Bestimmung „zum Kauen“ liege folglich nur bei Erzeugnissen vor, die an sich ausschließlich gekaut konsumiert werden können, das heißt, die ihre wesentlichen Inhaltsstoffe im Mund nur durch Kauen freisetzen können.
Tabakerzeugnisse, die, obwohl sie auch gekaut werden können, im Wesentlichen jedoch auch zum Lutschen oder zu anderen oralen Verwendungszwecken bestimmt sind (z. B. im Mund halten), damit ihre wesentlichen Inhaltsstoffe freigesetzt werden, sind nicht ausschließlich zum Kauen bestimmt mit der Folge, dass es sich um unzulässigen Tabak zum oralen Gebrauch handele.
Der EuGH betont, dass es Aufgabe der nationalen Gerichte sei, festzustellen, in welche Kategorie das Tabakerzeugnis fällt. Bei dieser Einzelfallentscheidung müsse sich das Gericht an allen relevanten objektiven Merkmalen des Erzeugnisses orientieren. Hierzu zählen insbesondere dessen
- Zusammensetzung,
- Konsistenz,
- Darreichungsform und
- ggf. seine tatsächliche Verwendung durch die Verbraucher.
Wird das betroffene Erzeugnis danach nicht ausschließlich gekaut, liegt kein Kautabak bzw. keine Bestimmung zum Kauen vor, mit der weiteren Konsequenz, dass das Tabakerzeugnis dem Inverkehrbringungsverbot gem. Art. 17 der Richtlinie 2014/40/EU unterfällt.
Händler, die Tabakerzeugnisse vertreiben, sollten daher sorgsam und stets bezogen auf das konkrete Produkt prüfen, ob es sich bei den von ihnen vertriebenen und importierten Tabakerzeugnissen um verbotenen Tabak zum oralen Gebrauch handelt, um Sanktionen oder Abmahnungen durch Mitbewerber zu vermeiden.
Redaktion: Dr. Clemens Comans