BVerwG-Entscheidung zur Angabe der Stückzahl bei einzeln verpackten Süßwaren
Mit Urteil vom 09.03.2023 hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass Süßwaren, die einzeln umhüllt und zu mehreren Stücken in einer größeren Verpackung zum Verkauf angeboten werden, nicht nur mit der Nettofüllmenge, sondern auch mit der genauen Stückzahl der in der Verpackung enthaltenen Süßwaren gekennzeichnet werden müssen (Az.: 3 C 15.21). Die Urteilsgründe liegen noch nicht vor. Sobald diese verfügbar sind, werden wir diese hier verlinken.
Sachverhalt
Anlass für das Verfahren war die Kontrolle einer Süßwarenherstellerin durch die zuständigen Mess- und Eichbehörden. Bei der Kontrolle stellten die Überwachungsbehörden fest, dass auf mehreren durch das Unternehmen im Handel angebotenen Produkten zwar die Nettofüllmenge in Form eines Gesamtgewichts, nicht aber auch die Stückzahl der in der Verpackung enthaltenen Einzelbonbons angegeben wurde.
In der Folge leiteten die Mess- und Eichbehörden ein Ordnungswidrigkeitenverfahren gegen Mitarbeiter des Süßwarenunternehmens ein, das hieraufhin eine Feststellungsklage vor dem Verwaltungsgericht Koblenz erhob, um feststellen zu lassen, dass das Unternehmen mit der konkreten Form der Füllmengenangabe nicht gegen Art. 9 Abs. 1 Buchst. e) i. V. m. Art. 23 Abs. 3 i. V. m. Anhang IX Nr. 4 der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 (LMIV) verstoßen hat.
Rechtlicher Hintergrund
Die Nettofüllmenge zählt gem. Art. 9 Abs. 1 Buchst. e) LMIV zu den Pflichtkennzeichnungselementen. Art. 23 Abs. 3 LMIV verweist auf Anhang IX LMIV, der technische Vorschriften für die Angabe der Nettofüllmenge enthält. Anhang IX Nr. 4 LMIV bestimmt, dass in Fällen, in denen eine Vorverpackung aus zwei oder mehr Einzelpackungen besteht, die nicht als Verkaufseinheiten anzusehen sind, die Nettofüllmenge sowohl in Form der Gesamtnettofüllmenge (z. B. 250 g) und die Gesamtzahl der Einzelpackungen (z. B. 25 Stück) angegeben werden muss.
Das klagende Unternehmen war der Auffassung, dass diese Voraussetzungen bei seinen Produkten nicht erfüllt waren, da es sich bei den die Süßwaren unmittelbar umgebenden Bonbonpapieren nicht um Einzelpackungen, sondern lediglich um Umhüllungen handele, die von der Regelung nicht umfasst seien.
Instanzenzug
Das Verwaltungsgericht Koblenz hat die Klage in erster Instanz abgewiesen und entschieden, dass die Stückzahl der in der Süßwarenverpackung enthaltenen Einzelpackungen angegeben werden muss. Zur Begründung führte es aus, dass es sich bei den von dem Unternehmen vertriebenen Produkten um vorverpackte Lebensmittel handele. Ausreichend für den Begriff der Vorverpackung sei, wenn sich in ihr verpackte Lebensmittel, also Einzelpackungen, befänden. Der Begriff der Einzelpackung sei erfüllt, wenn eine Verbindung von Packgut und Verpackung erfolgt sei und das Packgut mehr oder weniger durch die Verpackung umhüllt sei, so dass der Inhalt nicht verändert werden könne, ohne dass die Verpackung als solche geöffnet werden müsse oder eine Veränderung erfahre.
Die Entscheidung des VG Koblenz wurde in zweiter Instanz durch das OVG Rheinland-Pfalz bestätigt. Das OVG führte ergänzend aus, dass es für das Vorliegen einer Vorverpackung lediglich darauf ankomme, dass eine Verpackung, das heißt eine Verheiratung zwischen Lebensmittel und Verpackungsmaterial stattfinde. Weiterhin wies es darauf hin, dass der Zusatz „Vor“ in dem Wort „Vorverpackung“ nach Wortbedeutung und Sinn der Vorschrift auf eine rein zeitliche Komponente abstelle und verlange, dass das Verpacken des Lebensmittels „vor dem Feilbieten“ unter gleichzeitigem Ausschluss des Verpackungsvorganges am Verkaufsort auf Wunsch des Verbrauchers und des Vorverpackens im Hinblick auf den unmittelbaren Verkauf erfolge. Da es sich bei den streitgegenständlichen Produkten des klagenden Unternehmens somit um Vorverpackungen handele und diese auch „zwei oder mehr Einzelpackungen“ enthielten, die unstreitig nicht als unabhängige Verkaufseinheiten anzusehen seien, sei eine zusätzliche Kennzeichnung gem. Anhang IX Nr. 4 LMIV erforderlich. In der Folge, müsse neben der Gesamtnettofüllmenge auch die Angabe der Stückzahl der in der Vorverpackung enthaltenen Einzelpackungen angegeben werden
Entscheidung des BVerwG
Die Entscheidung des OVG wurde nunmehr durch das Bundesverwaltungsgericht umfassend bestätigt. In Ergänzung zu den Erwägungen des OVG führte es aus, dass sich aus dem Unionsrecht keine Anhaltspunkte für eine andere Auslegung ergeben. Die Anforderungen an die Angaben auf der Verpackung seien insoweit eindeutig.
Nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts liegt auch kein Fall eines unverhältnismäßigen Grundrechtseingriffes zu Lasten des Süßwarenunternehmens vor, da der Informationswert der Angabe (Stückzahl der in der Verpackung enthaltenen Einzelpackungen) für Verbraucher die produktionstechnischen Interessen des Unternehmens überwiege. Dem Einwand des Unternehmens, dass es mit verhältnismäßigen Mitteln nicht möglich sei, die Kennzeichnungsvorgaben einzuhalten, begegnete das BVerwG ebenso wie das OVG mit dem Hinweis, dass es ausreichend sei, wenn die geringstmögliche Stückzahl (Gesamtnettofüllmenge unter Abzug der maximalen Minusabweichung dividiert durch das Maximalstückgewicht) ermittelt und auf den Vorverpackungen angegeben werde. Zwar wäre die Angabe in den meisten Fällen objektiv falsch, da tatsächlich mehr Einzelpackungen enthalten seien als angegeben. Allerdings wirke sich eine solche Abweichung letztlich endkundengünstig aus und wäre vor diesem Hintergrund einer lebensmittelinformationsrechtlichen Beanstandung nicht zugänglich, da sich der gesetzliche Schutz auf die Verhinderung von Entscheidungen des Verbrauchers beziehe, die für ihn nachteilig sein könnten.